Die Briten, die können Krimis – für diese Überzeugung muss man gar nicht erst bis zu den Fernsehabenteuern von Agatha Christies berühmter Detektivfigur Hercule Poirot zurückblicken. Zum Abschluss des Jahrzehnts, in dem das „Golden Age of TV“ zu voller Blüte kam, unterziehe ich die bekanntesten BBC-Krimiserien der Zeitperiode nun einem umfassenden Check. Was muss man gesehen haben, was kann man sich eher sparen?
Credits für die Kurzbeschreibungen gehen an Moviepilot, für Bildmaterial an die BBC.
SHERLOCK (seit 2010 | Netflix) ★★ ½
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Von den Abenteuern des Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch): Gemeinsam mit seinem loyalen Assistenten und besten Freund Dr. John Watson (Martin Freeman) geht der brillante Kopf jeglichen Ungereimtheiten der Geschehnisse im modernen London auf die Spur. Bei seinen (oftmals inoffiziellen) Ermittlungen stößt er bei den hohen Tieren im New Scotland Yard zwar selten auf Gegenliebe, doch das unschlagbare Duo hält so schnell niemand auf. Dann erscheint allerdings Sherlocks Erzfeind und ewiger Gegenspieler Jim Moriarty (Andrew Scott) mit seinem hinterlistigen Masterplan auf der Bildfläche.
Sherlock Holmes oder: Wie ein „hochfunktionaler Psychopath“ oft bloß einen lahmen Fall von einer überaus nervigen Figur entfernt ist. Dynamische Psychoduelle mit Erzfeind Moriarty oder der Femme Fatale Irene Adler mögen für zeitweilige Unterhaltungsschübe sorgen, bis die Serie schließlich in belanglose Spionage-Gefilde abdriftet (Mary Who?) und sich beim abschließenden Familientreffen mit lächerlichstem Mindfuck selbst versenkt. Ein Blick hinter die Fassade dieser wahnsinnig raffiniert gemeinten Geschichten entlarvt leider doch nur ihre hässliche Fratze der Mittelmäßigkeit.
LUTHER (seit 2010 | Netflix) ★★★ ½
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Detective Chief Inspector John Luther (Idris Elba) ist besonders talentiert in seinem Job, für einige ist er sogar genial. Seine Ermittlungen fesseln ihn derart, dass er auch moralische sowie gesetzliche Grenzen überschreitet, um einen Fall zu lösen. Zudem pflegt er eine besondere Beziehung zu dem naturwissenschaftlichen Wunderkind Alice Morgan, die wahrscheinlich die Mörderin ihrer Eltern ist. Alice hilft ihm bei seinen Fällen.
Kompromisslos ballert sich der psychisch angeknackste Held von Folge zu Folge, und niemals steht bei seinen adrenalingeladenen Abenteuern auch nur geringfügig weniger als sein eigenes Leben, das seiner Kollegen und aller Personen im Umkreis eines Quadratkilometers auf dem Spiel. Doch Vorsicht, ein krawalliges Michael-Bay-Format ist hier nicht zu erwarten, vielmehr liefern sich Luther und Konkurrenten nervenkitzelnde Katz-und-Maus-Jagden. Dies bereitet mit Ausnahme der verkürzten 4. Staffel gewöhnlich auch einen Heidenspaß, was in der Regel den erfrischenden Villains zu verdanken ist. Die angenehm psychopathische Mit- und Gegenspielerin Alice Morgan schaut gar regelmäßig nach dem Rechten, während die so kreativen wie fiesen Gastkiller hammerschwingend, bluttrinkend oder unter dem Bett lauernd ihre mörderischen Spuren hinterlassen.
LINE OF DUTY (seit 2012 | Amazon Prime) ★★★★ ½
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Detective Sergeant Steve Arnott (Martin Compston) wird gegen seinen Willen in die Vertuschung einer katastrophal gescheiterten Anti-Terror-Mission verstrickt. Steve Arnott weigert sich, die Lüge zu akzeptieren – und wechselt konsequenterweise in die Anti-Korruptions-Abteilung. Sein neuer Vorgesetzter, Ted Hastings (Adrian Dunbar), arbeitet bereits an einem explosiven Fall, der niemand Geringeren als Chief Inspector Tony Gates (Lennie James) betrifft. Obwohl dieser als absoluter Elite- und Vorzeige-Polizist gilt, glaubt die Anti-Korruptions-Abteilung, dass er ein falsches Spiel spielt.
Bent coppers everywhere, doch die AC-12 vergönnt ihnen nichts außer ihr Recht, von einem ranghöheren Officer vernommen zu werden. Die kammerspielartigen Verhörszenen bilden dabei das Herzstück der Serie und schrauben die Spannungskurve so hoch wie ein guter Shootout: Akribisch werden die komplexen Fälle von Beweisstück A bis Z aufgedröselt, bis dem überführten Täter bei der Frage nach einem Ausweg oft nur noch der Tod oder das Zeugenschutzprogramm verbleibt. Showrunner Jed Mercurio gelingt besonders in den zusammenhängenden ersten drei Staffeln die perfekte Symbiose aus wahnwitzigen Twists & Turns sowie einer realitätsnahen Abbildung von Polizeiarbeit und dem dahinterliegenden Korruptionsnetz. Die Schwierigkeit besteht nun allerdings darin, nach der leicht schwächelnden 5. Staffel die Weichen für ein würdiges Finale zu stellen.
THE FALL (2013–2016 | Netflix) ★★ ½
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Detective Superintendant Stella Gibson (Gillian Anderson) geht auf die Jagd nach Serienkiller Paul Spector (Jamie Dornan), der als Familientherapeut ein ganz normales Leben mit eigener Familie führt. Zusammen mit seiner Frau Sally-Ann (Bronagh Waugh) und seinen zwei Kindern führt er ein scheinbar glückliches Leben. Trotzdem wird er von einer düsteren Obsession geplagt, die ihn dazu treibt, einen bestimmten optischen Typ Frau umzubringen.
Jamie Dornan (“Fifty Shades of Grey“) in seiner Paraderolle als psychopathischer Frauenschänder mit unverschämt gutem Aussehen trifft auf die Vamp-Cop-Version von Gillian Anderson, die all ihre Sätze nur lasziv hauchend herausbringt. “The Fall“ nimmt sich viel Zeit für das Katz-und-Maus-Spiel seiner Protagonisten und kreiert in Hochglanzoptik eine durchaus unbehagliche Atmosphäre. Als die Geschichte dann jedoch endlich in den zweiten Gang schalten könnte, rollen auch schon die End-Credits – dabei hätte man die fünfstündige 1. Staffel problemlos um die öden Nebenstränge über Polizeikorruption (die später tatsächlich keine Rolle mehr spielen) kürzen können. Im zweiten Jahr staut sich weiterhin nur heiße Luft an: Der Plot plätschert planlos und ein wenig dümmlich (die Babysitterin!) vor sich hin, während man selbst einfach nur dem überfälligen Verhör Gibson vs. Spector entgegenfiebert. Diesen Payoff bekommt man dann zwar auch, jedoch nicht ohne antiklimatische Schlusssequenz im Schlepptau. Staffel 3? Kein Interesse.
BROADCHURCH (2013–2017 | Netflix) ★★★
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Ein 11-jähriger Junge namens Danny Latimer wird eines Tages tot unter den Klippen von Broadchurch aufgefunden. Daraufhin nehmen DS Ellie Miller (Olivia Colman) und DI Alec Hardy (David Tennant) die Ermittlungen auf. Das gesamte Dorf steht unter Verdacht, doch wer könnte der Täter gewesen sein? Bei ihren Recherchen, Nachfragen und Untersuchungen stoßen Ellie und Alec auf die düsteren Geheimnisse der Bewohner von Broadchurch.
Season 1 ist immer dann sehenswert, wenn sie die Kleinstadtatmosphäre einfängt, die Trauer und Wut ihrer Bewohner, als ob Dannys Seele wie ein dunkler Schleier über dem Ort liegt. Der Tod des kleinen Jungen hat die Idylle im beschaulichen Dorf nicht nur angekratzt, vielmehr wird nun nach und nach der ganze Dreck an die Oberfläche gespült. Der zynische DI Alec Hardy kommt neu nach Broadchurch und eckt nicht nur bei seiner herzlichen Kollegin Ellie Miller, sondern auch bei den Bewohnern an; seine kauzige Art sorgt für die nötige Würze bei den Ermittlungsarbeiten. Ein konventionelles Rascheln der Drehbuchseiten ist dabei kaum zu überhören, wann immer der Whodunnit in den Vordergrund gerückt wird, doch auch wenn man die Auflösung vorhersieht, so verfehlt sie ihre emotionale Wirkung mitnichten. Staffel 2 indes ist völlig vernachlässigbar: Alles, was in Sandbrook geschah, hätte tatsächlich lieber dort bleiben sollen. Die dritte Staffel überzeugt mit einer empathischen Darstellung der Protagonistin, die Opfer einer Vergewaltigung wurde. Die Tätersuche hingegen beläuft sich lediglich auf den müden Whodunnit, ob nun der am Reißbrett entworfene Mann A oder Mann B den Zuschlag erhält.
TOP OF THE LAKE (2013–2017 | Amazon Prime) ★ ½
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Neuseeland: Dort, wo sich Seen an Gebirge reihen und Wälder und weite Ebenen aufeinandertreffen, taucht eines Tages die zwölfjährige Tui Mitcham (Jacqueline Joe) auf. Sie ist schwanger, hat aber keine Ahnung, woher das Kind in ihrem Bauch kommt. Bevor jedoch weitere Fragen gestellt werden können, ist das junge Mädchen bereits wieder verschwunden. Daraufhin übernimmt die unerfahrene Polizistin Robin Griffin (Elisabeth Moss), die zufällig an jenem Tag in ihrem Heimatort Laketop vorbeigeschaut hat, dem mysteriösen Fall. Dabei wird sie nicht nur mit düsteren Geheimnissen konfrontiert, sondern muss sich ebenfalls den bösen Geistern ihrer Vergangenheit stellen.
Der Ruf als Werbebroschüre des New Zealand Ministry of Tourism gerät flugs ins Wanken, sobald man mit den ersten im idyllischen Laketop angesiedelten Provinzmenschen konfrontiert wird. Wirkliche Sympathieträger findet man in diesem Kaff der Karikaturen nämlich nur schwer zwischen dem Fleisch gewordenen Alptraum von #toxicmasculinity-Schreihälsen und einer nicht minder seltsam anmutenden Frauensekte. Zwischen alledem bewegt sich eine unsichere Detektivin, die andere Menschen mit Dartpfeilen abwirft und vermutlich eine starke Frau darstellen soll, jedoch ständig gerettet werden muss und genau genommen auch noch ausgesprochene Berufsunfähigkeit zur Schau stellt: Ein hochschwangeres Mädchen verschwindet im Wald – wie wäre es denn für den Anfang mit einer Großfahndung? Nun darf man sich als Zuschauer also mit einer Flut an furchtbar doofen Figuren herumschlagen und wird obendrein auch noch mit vorhersehbaren Krimi- und Soap-Fragen gelangweilt. Solange man mir nicht garantieren kann, dass Staffel 2 “China Girl“ keiner vergleichbaren Verschwendung von Lebenszeit entspricht, werde ich diesen Müll jedenfalls nicht weiterschauen.
HAPPY VALLEY (seit 2014 | Amazon Prime) ★★★★
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Catherine Cawood (Sarah Lancashire) arbeitet als Police Sergeant in West Yorkshire. Obwohl sie eigentlich eine willensstarke Frau ist, droht ihr Leben aus den Fugen zu geraten: Catherine ist geschieden, lebt bei ihrer Schwester, hat ihre eigene Tochter durch Suizid verloren und zieht ihren Enkelsohn Ryan auf. Dann kehrt plötzlich Tommy Lee Royce (James Norton), Vergewaltiger ihrer Tochter und Ryans Kindesvater, zurück auf die Bildfläche. Wie besessen verfolgt die Polizistin den vermeintlichen Täter, unwissend, dass er bereits wieder in ein anderes Verbrechen involviert ist: Angeregt durch Kevin Watherill (Steve Pemberton) hat Tommy gemeinsam mit Ashley Cowgill die junge Frau Ann Gallagher (Charlie Murphy) entführt.
Es mag sich gewiss nicht schlecht leben mit dem Ruf als britisches “Fargo“, doch “Happy Valley“ ist viel mehr als das! Rasch verschwimmen die Grenzen zwischen Polizei- und Familiendrama, wenn Catherine ihr Enkelkind Ryan wie eine Löwenmutter vor dem kriminellen Tommy Lee Royce zu beschützen versucht. Sarah Lancashire ist Herz und Seele dieser packenden Serie und bildet den Anker der Menschlichkeit in einer oftmals grausamen Welt. Ihr sorgenvoller Blick spricht Bände: Wie viel von seinem mörderischen Vater mag wohl in den Genen des kleinen Jungen stecken? Staffel 3 lässt zwar aus guten Gründen noch auf sich warten, verspricht jedoch erneut Großes.
THE MISSING (seit 2014 | Amazon Prime/Sky) ★★★★
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Der fünfjährige Oliver Hughes ist gemeinsam mit seinen Eltern, Tony (James Nesbitt) und Emily (Frances O’Connor), in Frankreich im Urlaub. Doch kurz vor der Abreise verschwindet Oliver plötzlich spurlos. Geradezu außer sich vor Verzweiflung engagiert Tony den französischen Detektiv Julien Baptiste (Tchéky Karyo), der zu den verlässlichsten Spezialisten auf seinem Gebiet gehört. Was folgt, ist die jahrelange Suche nach einem Verschwundenen. Doch dann stößt Tony auf einen Hinweis, der alles verändern könnte.
Wer sich hierauf einlässt, weiß eins genau: Man wird Leid sehen und Schmerz (mit-)fühlen. Hilflose Eltern zerbrechen am Verschwinden ihres Sohnes und an den quälenden offenen Fragen: Was ist wirklich passiert? Lebt Olly denn vielleicht noch? Während Emily über den Schicksalsschlag hinwegzukommen versucht und ein neues Leben beginnt, blieb für Tony im Jahre 2006 die Zeit stehen. Unerbittlich ermittelt er auf eigene Faust, begleitet von ständiger Verzweiflung, von Schuldgefühlen und von Julien Baptiste. Tchéky Karyo mimt den sympathischen Ruhepol neben dem impulsiven James Nesbitt, der seine Figur mit solcher Intensität spielt, dass es auch dem Zuschauer unter die Haut geht. Schritt für Schritt wühlen sich die beiden durch die verblassten Spuren der Vergangenheit und kommen der Wahrheit dabei immer näher. “The Missing“ ist in seinem Kriminalplot vielleicht nicht gerade innovativ, dafür jedoch äußerst effektiv zum Mitfiebern. Auch die zweite Staffel, in der Baptiste mit der Rückkehr eines lange Zeit vermissten Mädchens konfrontiert wird, kann sich sehen lassen.
RIVER (2015 | Netflix) ★★★ ½
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Im Mittelpunkt der Geschichte befindet sich Detective Inspector John River (Stellan Skarsgård), der zuletzt einen harten Schicksalsschlag einstecken musste. Im Rahmen einer laufenden Ermittlung wurde seine Kollegin Detective Sergeant Jackie Stevenson (Nicola Walker) ermordet. John ist am Boden zerstört und weiß nicht weiter. Schließlich fasst er den Entschluss, Jackies Mörder das Handwerk zu legen – und das, obwohl er offiziell vom entsprechenden Fall abgezogen wurde. Zu allem Überfluss sieht er auch noch tote Menschen …
Als der halluzierende John River am Ende der Pilotfolge zusammen mit der verstorbenen Jackie Stevenson auf einmal einen stimmungsvollen Popsong schmettert, landen die Sympathien endgültig auf seiner Seite. Ein schweres Trauma lastet auf dem knallharten Cop, der zerfressen von Trauer immer und immer wieder die letzten Kameraaufnahmen von seiner Ex-Partnerin abspielt, bevor diese auf offener Straße niedergeschossen wurde. Obwohl die meisten seiner Kollegen ihn lieber heute als morgen aus dem Verkehr gezogen sähen, lässt sich jemand wie John River nicht unterkriegen: Er wird erst ruhen, wenn der Mord an Jackie vollständig aufgeklärt ist – auch wenn er selbst dabei dem Wahnsinn anheimfällt. Skarsgård stiehlt hier natürlich allen die Show, doch neben der faszinierenden Charakterstudie seines Antihelden bleibt zusätzlich Raum für eine solide Kriminalgeschichte.
KILLING EVE (seit 2018 | Starzplay) ★★★ ½
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Eve Polastri (Sandra Oh) hat sich ihren Job als Mitarbeiterin des MI5 ganz anders vorgestellt. Tatsächlich fristet sie ihren Alltag am Schreibtisch. Doch die studierte Kriminalpsychologin hat es sich zum Hobby gemacht, eine mysteriöse Auftragskillerin mit mehreren Verbrechen in Verbindung zu bringen. Als Eve die Zeugin eines Mordfalls auf eigene Faust befragen will, begeht sie einen verheerenden Fehler, der ihr den Job kostet. Kurz nach Eves Entlassung klingelt jedoch die hochrangige Geheimdienstmitarbeiterin Carolyn Martens an ihrer Tür und gibt ihr die Chance, mit einem eigenen Team als Agentin den Fall zu untersuchen. Denn tatsächlich lag Eve mit ihren Vermutungen richtig und ist der internationalen Profikillerin Villanelle (Jodie Comer) dicht auf den Fersen. Daraufhin gerät Eve ins Visier der schonungslosen Mörderin.
Das hierzulande beste Argument für ein Starzplay-Abo: Phoebe Waller-Bridge, dank “Fleabag“ die Hypefrau der Stunde, würzt die britische Krimiwelt mit Powerfrauen und pfiffigen Dialogen. Eve und Villanelle verleihen der langen Beziehungstradition zwischen Cop und Täter – Jäger und Gejagtem – eine aufregende, sexy Note. Doch aufgepasst: Wer wie Eve mit dem stilvollen Todesengel tanzen will, kommt dabei weder um eine gehörige Portion schwarzen Humor noch um ein schwarzes Kleid herum.
BODYGUARD (seit 2018 | Netflix) ★★★★
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Im Mittelpunkt befinden sich einzelne Mitglieder der Royal und Specialist Protection der Londoner Polizei, allen voran David Budd (Richard Madden). Ihre Aufgabe ist es, sich um die Sicherheit der königlichen Familie zu kümmern. Dementsprechend erfolgen die Einsätze der Einheit für gewöhnlich im Rahmen von großen Staatsempfängen oder anderen Anlässen, bei denen die Queen (Keeley Hawes) einen Fuß außerhalb des Buckingham-Palastes setzt.
Ein angeknackster Kriegsrückkehrer als Bodyguard der kriegstreibenden Innenministerin: Jed Mercurio zaubert wieder eine derart packende und wendungsreiche Geschichte aufs Parkett, dass man ihm das hochexplosiv inszenierte und dabei leicht über die Stränge schlagende Finale fast schon nachsehen kann. “Bodyguard“ ist mitnichten eine intelligente Polit-Milieustudie, wohl aber ein adrenalingeladener Thriller, dessen 6 Episoden man direkt an einem Abend verschlingen möchte.
BAPTISTE (seit 2019 | Starzplay) ★★★
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Bei einem Besuch in Amsterdam mit seiner Ehefrau Celia wird der berüchtigte Ex-Ermittler Julien Baptiste (Tchéky Karyo) vom dortigen Polizeichef Edward Stratton (Tom Hollander) gebeten, im Fall von dessen verschwundener Nichte zu helfen. Baptiste kann sich der Bitte nicht entziehen und kehrt aus dem Ruhestand zurück. Als die Spur ins Rotlichtmilieu der Stadt führt, bekommt es der Ermittler mit Männern zu tun, die viel zu verlieren haben.
Das Amsterdamer Rotlichtmilieu als Schauplatz einer Kriminalgeschichte über den Menschenhandel der rumänischen Mafia hat gewiss den Bart der Bärte, doch welch passenderes Pflaster gäbe es schon für das detektivische Comeback eines Altstars? Baptiste mag in seiner eigenen Show bereits etwas altersmüde erscheinen und senkt mit der Ankündigung “I’m not the man I was“ lieber gleich einmal die Erwartungshaltung. An ihm liegt es jedoch wahrlich nicht, dass mit dem Auftakt seiner Spin-Off-Serie zu “The Missing“ leider nicht der ganz große Wurf gelungen ist. Karyo und Hollander bilden in ihrer Verschiedenheit ein großartiges Gespann; das unausgegorene Drehbuch inklusive einer vorhersehbaren, schier von sich selbst gelangweilten Finalfolge lässt sich allerdings nur schwer kaschieren. So werden die emotionalen Spitzen der Mutterserie natürlich nicht erreicht, die düstere Atmosphäre rund um Julien Baptiste als Fels in der Brandung birgt aber sicher noch Potenzial für eine bessere 2. Staffel – vielleicht dann ja über einen Kinderprostitutionsring in Budapest.
THE CAPTURE (seit 2019 | Starzplay) ★★★ ½
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Wegen eines angeblichen Mordes an einem wehrlosen Kriegsgefangenen ist der Soldat Shaun Emery (Callum Turner) angeklagt. Die Videos vom Schlachtfeld entpuppen sich als fehlerhaft, und Emery kehrt als freier Mann ins Leben mit seiner kleinen Tochter zurück. Aber als belastendes Überwachungsmaterial aus einer Nacht in London ans Licht kommt, nimmt sein Leben eine schockierende Wendung ‒ und er muss erneut für seine Freiheit kämpfen. Ermittlerin Rachel Carey (Holliday Grainger) wird zur Untersuchung von Shauns Fall herangezogen, und sie erkennt schnell, dass die Wahrheit eine Frage der Perspektive sein kann: Sollte sie Shaun Emery vertrauen?
Eine spannende Serie wie maßgeschneidert für das postfaktische Zeitalter: Der sechsteilige Überwachungs-Thriller spielt in einer beunruhigenden Welt voller Fake News, Deep Fakes und hochausgebildeter Geheimdienste. Dystopie oder doch schon düstere Realität? Nichts ist so, wie es scheint, und Shaun Emerys verzweifelte Körpersprache lässt seine Figur wie auch den Wahnsinn der Geschichte greifbar werden. Turner und Grainger halten den ambitionierten Plot weitgehend zusammen, auch wenn die überkonstruierte Schlüsselszene einen leicht faden Beigeschmack hinterlässt.